Ohne Kampfrichter könnten die Athleten nicht im Rampenlicht stehen
verfasst am 07.12.2022 von Andreas Brodinger
Anlässlich der 30. Österreichischen Meisterschaft der SKIAF am 26.11.2022 gibt es diesmal einen Artikel über die ÖM und generelle Einblicke aus einer neuen Perspektive – der eines Schiedsrichters:
Als sportliches Großereignis erhält die Fußball-WM derzeit große Aufmerksamkeit. Während vermeintlich kleinere Fußballnationen überrascht haben, konnten sich große nicht für das Achtelfinale qualifizieren und mussten bereits nach der Vorrunde die Heimreise antreten! Nach Niederlagen kommt man bei der Analyse, wer denn die „Verantwortung“ an der nicht zufriedenstellenden Leistung trägt, nicht nur am Sportler selbst, am Trainer(team), sondern oftmals auch an den Schiedsrichtern vorbei. Während sich im Fußball mittlerweile der Videobeweis als Überprüfung kritischer Entscheidung durchgesetzt hat, gibt es das in unserem Verband der SKIF nicht.
„Eine Entscheidung des Kampfgerichts kann das gesamte weitere Leben eines Karateka beeinflussen!“, ist Murakami shuseki shihan (8. Dan, Chief Instruktor SKIF Honbu Dojo, Tokio) überzeugt. Eine falsche Entscheidung kann jemanden den Platz auf dem Siegespodest kosten. Vereinzelt kann es dann nach langer Vorbereitungszeit vorkommen, dass man aufgrund einer falschen Entscheidung aus Enttäuschung die Wettkampfkarriere oder sogar den Sport aufgibt. Einerseits sind der sportliche Aspekt und das Streben nach Siegen in Wettkämpfen nur ein kleiner Teilaspekt des Karatedo, andererseits stellt dies natürlich eine große Verantwortung für die Kampfrichter dar.
Um die Qualität der Schiedsrichterleistungen zu steigern, hat der Europaverband für all jene, die auf internationalen Turnieren als Kampfrichter tätig sein wollen, ein Lizenzsystem eingeführt. Die C-Lizenz berechtigt als Seitenkampfrichter tätig zu sein. Die B-Lizenz berechtigt dazu, als Hauptkampfrichter Kata- oder Kumite-Begegnungen zu leiten (Kata=Form, Kumite=Freikampf auf max. 3 Punkte). Die Herausforderung bei Kata ist es, die gezeigten Kata auf Korrektheit der Techniken, Rhythmus, Kraft und im Teambewerb zusätzlich Synchronität zu bewerten. Dazu müssen die Kampfrichter die Kata beherrschen und sich gleichzeitig auf 2 nebeneinander ausgeführte Katas konzentrieren können. Im Kumite ist die Vielzahl der möglichen japanischen Kommandos eine große Herausforderung. Wichtig ist auch ein „gutes Auge“, das in kürzester Zeit die ausgeführten Techniken beurteilen muss, ob es sich um wertungsfähige Ausführungen gehandelt hat. Auch die Gesten müssen korrekt ausgeführt werden. Von den Hauptkampfrichtern wird die Vergabe von Wertungen so ästhetisch wie in einer Kata und so scharf und schnell wie bei einer guten Kumite-Technik gefordert. Die höchste Lizenz des Europaverbandes ist die A-Lizenz. Um diese zu erlangen, müssen neben den Anforderungen der vorangegangenen Lizenzen, auch das umfangreiche Regelwerk und das Führen eines Wettkampfpools beherrscht werden. Die Inhaber der A-Lizenz werden als sogenannte Koto-cho als Aufseher für die jeweiligen Pools eingesetzt und sind für die Einteilung und ggf. auch Ablöse von Seiten- und Hauptkampfrichtern, aber auch für das Geschehen im und rund um den jeweiligen Pool verantwortlich.
Die Einhaltung der Disziplin ist bei internationalen Wettkämpfen, bei denen die Geräuschkulisse oftmals extrem laut (Glocken, Gesänge, Tröten, Trommeln,…) und die Stimmung teilweise aufgeheizt ist, die Aufgabe des Koto-cho. Er muss dafür Sorge tragen, dass jeweils nur ein Coach pro Wettkämpfer auf seinem vorgeschriebenen Platz sitzt, Zuseher sich außerhalb eines bestimmten Bereichs aufhalten, die Kampfrichter die notwendigen Fähigkeiten mitbringen und objektiv entscheiden. Auch die Abhandlung von Beschwerden fallen in seinen Verantwortungsbereich. Dazu stehen dem Koto-cho bei großen internationalen Wettkämpfen ein Assistant Koto-cho sowie ein Kansa, der die Einhaltung der Regeln (nicht die Korrektheit der Entscheidungen) überprüft, zur Seite. Der Kansa trägt auch die Verantwortung für die Korrektheit der Protokollierung der Ergebnisse und der Überwachung der Anzeigen der Punkte bei Kumite-Wettkämpfen.
Auch die SKI Austrian Federation hat sich zum Ziel gesetzt, die Fähigkeiten der nationalen Kampfrichter ständig weiterzuentwickeln und führt dazu jährlich Kamprichterschulungen durch. In diesem Jahr wurde der Theorieteil in einer Onlineschulung vermittelt, das praktische Training erfolgte im Zuge des Saisonauftakttrainings im September in zwei Gruppen (Haupt- und Seitenkampfrichter). Die Möglichkeit, das gelernte Wissen in der Praxis zu erproben, gab es dann bereits diesen Herbst beim Kinder- und Jugendcup sowie zuletzt bei den Österreichischen Meisterschaften.
Nicht nur die Leistungen der österreichischen Athleten steigern sich durch das kontinuierliche Training. Auch die Schiedsrichterleistungen verbessern sich laufend. In den Kata-Bewerben hat sich ein einheitlicher Bewertungsstandard etabliert, in den Kumite-Bewerben zeigen die Seitenkampfrichter sicheren Einsatz der Kommunikationsmittel Fahnen und Pfeife. Am schwierigsten haben es, wie bereits beschrieben, die Shushin (Hauptkampfrichter) in Kumite-Bewerben. Auch für Kampfrichter gilt, genau wie für Athleten, dass man seine Fertigkeiten regelmäßig trainieren muss. Schon Gichin Funakoshi, der Begründer des modernen Karatedo, sagte: „Karatedo ist wie Wasser, das abkühlt, wenn man es nicht ständig warmhält.“
Daher gilt ein großes „Dankeschön!“ allen Kampfrichtern, die ihre eigenen Karatefertigkeiten trainieren und sich die Zeit nehmen, an Kampfrichterschulungen teilzunehmen, um dann bei Wettkämpfen als Kampfrichter tätig zu sein. Ohne Kampfrichter, ebenso wie ohne Trainer, könnten die Athleten bei Wettkämpfen nicht im Rampenlicht stehen!
Weiterführende Links
» Offizielle Ergebnisliste 30. ÖM